Entschädigung für die Betreuung von Angehörigen
Die Rolle der pflegenden Angehörigen in der Schweiz
Pflegende Angehörige – oft Frauen, die ihre Eltern, Lebenspartner oder andere Familienmitglieder betreuen – leisten einen wertvollen Beitrag zur Gesellschaft. Ihre Aufgabe umfasst häufig Grundpflege, Unterstützung im Haushalt, Begleitung zu Ärzten oder die Organisation von Hilfsmitteln. Laut dem Bundesamt für Gesundheit (BAG) sind diese Personen ein unverzichtbarer Bestandteil des Schweizer Gesundheitssystems.
Jedoch bringt die Betreuung von Angehörigen auch Belastungen mit sich. Der Zeitaufwand führt oft zu Einschränkungen in der Erwerbstätigkeit, was finanzielle Einbussen zur Folge hat. Zudem ist die Vereinbarkeit von Pflegeleistung und Beruf für viele eine Herausforderung. Neben der physischen Belastung kommt oft auch eine emotionale Belastung hinzu, da die Verantwortung für das Wohl eines geliebten Menschen einen hohen Druck erzeugen kann. Darum ist die Entschädigung für die Betreuung von Angehörigen ein wichtiges gesellschaftliches Thema und sollte auf der politischen Agenda weit oben stehen.
Rechtliche Grundlagen und Ansprüche
Entschädigung und Betreuungsgutschriften
Die Schweiz erkennt die Leistung pflegender Angehöriger durch verschiedene Massnahmen an. Betreuungsgutschriften für die AHV sind eine mögliche Form der Anerkennung. Diese Gutschriften dienen dazu, Beitragslücken zu vermeiden und später die Rente zu erhöhen. Wer Angehörige betreut, sollte sich bei der AHV informieren, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, um diese Gutschriften zu erhalten.
Hilflosenentschädigung
Pflegebedürftige Personen können eine Hilflosenentschädigung beantragen. Diese Leistung wird vom Bundesamt für Sozialversicherungen organisiert und richtet sich nach dem Grad der Hilflosigkeit. Angehörige, die die Pflege übernehmen, profitieren indirekt davon, da die finanzielle Unterstützung zur Deckung der Pflegekosten beiträgt. Die Hilflosenentschädigung unterscheidet zwischen leichter, mittlerer und schwerer Hilflosigkeit. Je nach Einstufung variiert der monatliche Betrag.
Betreuungsurlaub und Erwerbsersatz
Seit 2021 gibt es in der Schweiz die gesetzliche Regelung, dass Arbeitnehmende Anspruch auf einen bezahlten Pflegeurlaub von bis zu 14 Tagen pro Jahr haben. Diese Regelung ist vor allem für kurzfristige Notfälle gedacht. Darüber hinaus können Angehörige unter bestimmten Voraussetzungen einen längeren Erwerbsersatz beantragen, wenn sie ihre berufliche Tätigkeit reduzieren oder vorübergehend aufgeben müssen.
Entlastungsangebote für pflegende Angehörige
Tagestätten und Kurzzeitpflege
Entlastungsangebote wie Tagesstrukturen oder Kurzzeitpflege ermöglichen es pflegenden Angehörigen, Pausen einzulegen. Solche Angebote sind insbesondere für Menschen wichtig, die Beruf und Betreuungstätigkeit miteinander vereinbaren müssen. Die Kosten für diese Angebote variieren stark und hängen oft von der Region und den spezifischen Leistungen ab. Manche Kantone bieten finanzielle Unterstützung oder Beiträge zu solchen Entlastungsangeboten an.
Anlaufstellen und Beratung
Organisationen wie Pro Senectute, Spitex oder das Rote Kreuz bieten Informationen, Unterstützung und praktische Hilfe für Familien an. Fragen zur Finanzierung, zu rechtlichen Ansprüchen oder zu Hilfsmitteln können dort geklärt werden. Diese Anlaufstellen bieten oft auch Schulungen und Kurse an, um pflegenden Angehörigen das notwendige Wissen und die Fertigkeiten für ihre Aufgabe zu vermitteln. Ausserdem können diverse Organisationen, welche Seniorenbetreuung zu Hause anbieten sehr individuell und bedürfnisgerecht unterstützen.
Psychologische Unterstützung
Pflegende Angehörige tragen oft eine immense emotionale Last. Psychologische Beratung und Selbsthilfegruppen können helfen, die Situation besser zu bewältigen. Einige Organisationen bieten auch Telefonberatungen oder Online-Plattformen an, um den Austausch mit anderen Betroffenen zu erleichtern.
Finanzielle Unterstützung und Leistungen
Erwerbsersatz und Sozialversicherungsbeiträge
Für pflegende Angehörige, die ihre Erwerbstätigkeit reduzieren oder aufgeben, gibt es in einigen Kantonen die Möglichkeit, einen Erwerbsersatz zu beantragen. Auch die Bezahlung von Sozialversicherungsbeiträgen durch den Staat wird in bestimmten Fällen übernommen. In solchen Situationen ist es ratsam, sich bei den kantonalen Stellen oder beim Bundesamt für Gesundheit über die Möglichkeiten zu informieren.
Pflegebedarf und Stundenlohn
Einige Kantone sehen vor, dass pflegende Angehörige für ihre Arbeit entschädigt werden. Der Stundenlohn variiert je nach Region und Pflegebedarf. Dies kann eine direkte finanzielle Entlastung für Familien darstellen. Allerdings ist diese Entschädigung oft nicht ausreichend, um die vollen Kosten oder den Einkommensverlust auszugleichen.
In der Schweiz erkennen verschiedene Kantone die wertvolle Arbeit pflegender Angehöriger an und bieten dafür finanzielle Entschädigungen oder Unterstützungsleistungen an. Hier eine Übersicht (nicht vollständig):
- Kanton Luzern: Seit Januar 2024 erhalten erwachsene, zu Hause lebende Personen mit Anspruch auf eine Hilflosenentschädigung und unentgeltlicher Betreuung durch Angehörige einen Gutschein für Entlastungsangebote. Zudem wird den betreuenden Angehörigen eine Anerkennungszulage von CHF 800 pro Jahr ausbezahlt.
- Kanton St. Gallen: Pflegende Angehörige können unter bestimmten Voraussetzungen finanzielle Unterstützung erhalten, beispielsweise durch die Hilflosenentschädigung der AHV. Zudem besteht die Möglichkeit, für die Grundpflege von Angehörigen im Rahmen einer Anstellung bei einer Spitex-Organisation einen Stundenansatz von CHF 34.30 zu beanspruchen.
- Kanton Freiburg: Hier wird eine Entschädigung von maximal CHF 35 pro Tag (Stand 2024) an pflegende Angehörige ausgerichtet, um deren Einsatz zu fördern und hilfe- sowie pflegebedürftigen Menschen ein Verbleiben im gewohnten Umfeld zu ermöglichen.
- Kanton Graubünden: Der Kanton plant Massnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für betreuende Angehörige, insbesondere in Bezug auf notwendige Entlastung und Entschädigung,
- Kanton Waadt: Es existiert eine Betreuungszulage (L’aide à l’entourage), die subsidiär zu den Sozialversicherungen und geltenden Bundes- sowie Kantonshilfen ist. Sie wird ausgerichtet, wenn ein Elternteil oder ein Verwandter aufgrund ihres Engagements die Erwerbstätigkeit einschränken oder aufgeben muss. Die Zulage hängt vom Grad der Hilflosigkeit ab und beträgt bei schwerer Hilflosigkeit maximal CHF 550 pro Monat.
- Kanton Basel-Landschaft: Das Altersbetreuungs- und Pflegegesetz sieht vor, dass Gemeinden zur Anerkennung und Förderung von Betreuung und Pflege durch Bezugspersonen Beiträge sprechen können. Beispielsweise anerkennt die Gemeinde Arlesheim die Leistung betreuender Angehöriger mit einem Beitrag zwischen CHF 20 und CHF 50 pro Tag.
Bitte beachten Sie, dass die Voraussetzungen, Höhe und Dauer der Entschädigungen je nach Kanton variieren. Es empfiehlt sich, direkt bei den zuständigen kantonalen oder kommunalen Stellen nach aktuellen Informationen und individuellen Ansprüchen zu fragen.
Ergänzungsleistungen
Ergänzungsleistungen zur AHV oder IV können beantragt werden, wenn die Pflegekosten die vorhandenen finanziellen Mittel übersteigen. Diese Leistungen sind an bestimmte Voraussetzungen geknüpft, wie das Einkommen und Vermögen der pflegebedürftigen Person.
Zusätzliche Kosten und Hilfsmittel
Pflegehilfsmittel wie Pflegebetten, Rollstühle oder Treppenlifte können erhebliche Kosten verursachen. Versicherungen übernehmen diese Ausgaben oft nur teilweise. Es lohnt sich, verschiedene Angebote zu prüfen und bei den Versicherungen frühzeitig Informationen einzuholen, um mögliche Zuschüsse zu sichern.
Vereinbarkeit von Beruf und Pflege
Flexible Arbeitszeiten und Urlaub
Arbeitgeber sind zunehmend gefordert, flexible Modelle anzubieten, damit Mitarbeitende die Betreuung von Angehörigen besser mit ihrer Arbeit vereinbaren können. Die Einführung von Pflegeurlaub oder unbezahltem Urlaub wird in vielen Unternehmen als wichtige Massnahme angesehen. In der Schweiz gibt es seit 2021 ein Gesetz, das einen bezahlten Pflegeurlaub von bis zu 14 Tagen pro Jahr für kurzfristige Betreuung ermöglicht.
Fragen zur beruflichen Wiedereingliederung
Nach einer intensiven Betreuungsphase stellt sich oft die Frage nach der beruflichen Wiedereingliederung. Beratungsangebote können hierbei helfen, eine neue Balance zwischen Arbeit und Sozialleben zu finden. Insbesondere Frauen, die oft in Teilzeit arbeiten, stehen vor der Herausforderung, den beruflichen Anschluss nicht zu verlieren.
Die Rolle von Pflegefachpersonen und Hilfsmitteln
Pflegefachpersonen können die Arbeit von pflegenden Angehörigen erleichtern. Dies gilt insbesondere für anspruchsvolle Pflegesituationen mit hohem medizinischem Bedarf. Die Zusammenarbeit mit Fachpersonen bietet nicht nur Entlastung, sondern auch mehr Sicherheit für die Pflegebedürftigen. Pflegefachpersonen können Anleitungen zur Pflege geben, bei medizinischen Eingriffen unterstützen und regelmässige Kontrollbesuche durchführen.
Darüber hinaus sind technische Hilfsmittel wie Pflegebetten, Rollstühle oder Treppenlifte entscheidend, um die Betreuung zu Hause zu erleichtern. Versicherungen übernehmen oft einen Teil der Kosten für solche Hilfsmittel. Wichtig ist, rechtzeitig eine Bedarfsabklärung vorzunehmen und die entsprechenden Angehörigen bei der Versicherung oder den Sozialdiensten einzureichen.
Zusammenarbeit mit Organisationen wie Spitex
Die Spitex spielt eine zentrale Rolle in der Entlastung von Angehörigen. Mit ihrem Angebot an professionellen Pflegeleistungen, die direkt zu Hause erbracht werden, ist sie eine wertvolle Unterstützung. Zudem ermöglicht die Zusammenarbeit mit Spitex eine kontinuierliche Betreuung, insbesondere bei komplexen Pflegesituationen oder bei der Nachsorge nach einem Spitalaufenthalt.